Im Zeitalter der Digitalisierung ist es entscheidend, wie digital autonom eine Volkswirtschaft agieren kann. Eine Studie von 2022 zeigt: Verglichen mit den USA und China hinkt Europa massiv hinterher – und wird das wohl auch künftig tun.

Wer steht hinter der Digitalisierungs-Studie?

Für die Analyse mit dem Titel „Europa hat die Konsequenzen seiner digitalen Abhängigkeit noch kaum erkannt“ zeichnet die Konrad-Adenauer-Stiftung verantwortlich.

Der CDU-nahe Verein gilt als eine der führenden Denkfabriken Deutschlands und weltweit.

Europas doppelte Abhängigkeit

Die Studie zeigt: Während die USA, China und Südkorea digital immer autonomer werden, verfällt Europa zunehmend in eine doppelte Abhängigkeit: a) beim Thema Informationsinfrastruktur und b) beim Handel mit digitalen Technologien.

Beispiele: 

➤ Halbleiter-Chips kommen heute vor allem aus China und Taiwan.

➤ Um das 5-G-Netz auszubauen, braucht es Netzwerk-Technologie aus China.

➤ Die Platzhirsche der global-digitalwirtschaftlich dominierenden Plattform-Ökonomie (Google, Amazon, Facebook, Microsoft, Tencent, Alibaba) kommen aus den USA oder China.

➤ Das Cloud-Computing wird weltweit von den US-Anbietern Amazon, Microsoft und Google beherrscht.

➤ US-amerikanische, chinesische und südkoreanische Unternehmen melden immer mehr Patente in der Informations- und Kommunikations-Technologie (IKT) an.

Der „Digitale Dependenz Index“

Der „Digitale Dependenz Index“ (DDI) unterteilt 23 Wirtschaftsmächte danach, wie digital abhängig sie in unterschiedlichen Technologie-Bereichen sind.

DDI = 0 (das Land ist digital absolut unabhängig, es braucht keinerlei ausländische digitale Technologien)

0 < DDI ≤ 0,25 (das Land ist digital sehr autonom, inländische digitale Technologien dominieren)

0,25 < DDI < 0,5 (das Land ist digital sehr widerstandsfähig, das inländische Angebot liefert die meisten digitalen Technologien)

0,5 < DDI ≤ 0,75 (Das Land ist auf ausländische digitale Technologien angewiesen, die globalen Märkte liefern die meisten digitalen Technologien)

0,75 < DDI < 1 (Das Land ist digital kaum autonom, ausländische digitale Technologien dominieren).

DDI = 1 (Das Land ist digital absolut abhängig, ausländische digitale Technologien bedienen vollständig die nationale Nachfrage)

Eine DDI-Auswahl nach Ländern:

USA: 0,47 (das Land ist digital sehr widerstandsfähig, das inländische Angebot liefert die meisten digitalen Technologien)

China: 0,58 (Das Land ist auf ausländische digitale Technologien angewiesen, die globalen Märkte liefern die meisten digitalen Technologien)

Republik Korea: 0,66 (Das Land ist auf ausländische digitale Technologien angewiesen, die globalen Märkte liefern die meisten digitalen Technologien)

Deutschland: 0,82 (Das Land ist digital kaum autonom, ausländische digitale Technologien dominieren)

UK: 0,82 (Das Land ist digital kaum autonom, ausländische digitale Technologien dominieren)

Frankreich: 0,84 (Das Land ist digital kaum autonom, ausländische digitale Technologien dominieren)

Italien: 0,86 (Das Land ist digital kaum autonom, ausländische digitale Technologien dominieren)

Digitalisierung: Die bleibende Autonomielücke

➤ Die Autonomielücke zwischen Europa auf der einen und USA/China auf der anderen Seite schrumpft nicht, sondern wächst tendenziell weiter.

➤ Bisherige europäische Initiativen für digitale Souveränität (wie Gaia-X) sind zu klein geraten und die Investitionssummen sind zu gering. Es mangelt an einer strategischen Gesamtausrichtung.

O-Ton der Studie: „Gaia-X kommt in diesem Kontext einem Pilotprojekt im Sandkastenformat gleich.“

Hintergrund: Gaia-X ist eine europäische Cloud-Computing-Initiative, welche die europäische Wirtschaft unabhängiger machen soll: von amerikanischen und chinesischen IT-Anbietern sowie von marktbeherrschenden digitalen Plattformen.

Ziel ist ein vernetztes europäisches System, das viele Cloud-Service-Anbieter miteinander verbindet und die europäische Datensouveränität sicherstellt. 

➤ Das südkoreanische Beispiel zeigt: Digitale Autonomie kann nur langfristig reifen. Südkorea begann in den 1980er-Jahren, massiv in die IT-Grundlagenforschung zu investieren (unter anderem im Bereich Halbleiter-Technologien).

➤ Die führenden Wirtschaftsnationen der Welt werden immer abhängiger von IKT-Gütern aus China.

➤ Es müssen europäische Plattformen geschaffen werden, als Gegengewicht zu den Plattform-Riesen der USA (Alphabet, Amazon, Microsoft, u.v.m) und China (Tencent, Alibaba, u.v.m.). Das gilt auch für Technologien wie Blockchain, Internet of Things oder Industrie 4.0.

Digitalisierung: Nicht 5 vor 12, sondern weit nach Mitternacht

Soweit die Ergebnisse der aktuellen Digitalisierungs-Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung. Sie bestätigt alle Warnrufe der vergangenen Jahre: Europa wird künftig global-digitalwirtschaftlich nicht in der ersten Liga mitspielen können.

Datenschutzrechtlicher Regulierungswahn, zu geringe Investitionssummen, fehlender Gründergeist, kein einheitlicher Wirtschaftsraum (Währung, Rechtsprechung, Sprache), fortschrittsfeindliches Sicherheitsdenken, German Angst…

…die Gründe für die digitale Kluft zwischen Europa auf der einen und USA/China auf der anderen Seite sind vielfältig.

Ist der Zug endgültig abgefahren?

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