Das 2022er Gutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) beleuchtet das Thema „Digitale Plattformen“. Der Appell der Wissenschaftler ist eindeutig: Wollen Deutschland und Europa digital wettbewerbsfähig bleiben, müssen Sie in der B2B-Plattform-Ökonomie Gas geben.
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(Binär / Pixabay-Lizenz) |
Im ersten Teil meines Beitrages ging es um zwei Aspekte des EFI-Gutachtens:
➤ China: Technologisch souverän durch eine offene Industriepolitik
➤ USA: Technologisch souverän durch eine verdeckte Industriepolitik
Jetzt schauen wir uns den Plattform-Ökonomie-Schwerpunkt der spannenden Studie an:
Plattform-Ökonomie, was ist das?
Ob Amazon, Google, Airbnb oder Ebay: Digitale Plattformen bringen datenbasiert und grenzübergreifend Anbieter und Nachfrager zusammen.
Wechselseitig-indirekte Netzwerkeffekte lassen sie überaus mächtig werden. Anbieter- und Nachfrager-Seite schaukeln sich auf einer digitalen Plattform gegenseitig hoch. Beispiel Amazon:
➤ Amazon ist für Verkäufer umso attraktiver, je mehr potenzielle Käufer die Plattform nutzen.
➤ Gleichzeitig ist Amazon für Käufer umso attraktiver, je mehr Verkäufer ihre Produkte oder Dienste dort anbieten.
➤ Je mehr Anbieter, desto mehr Nachfrager. Und je mehr Nachfrager, desto mehr Anbieter.
Zu diesen wechselseitig-indirekten Netzwerkeffekten sind auch B2B-Plattformen fähig. Deutsche Angebote in diesem Bereich sind unter anderem Bosch IoT Suite, SAP Internet of Things und Telekom Data Intelligence Hub.
Die Expertenkommission betont: Deutschland und Europa müssen die B2B-Plattform-Ökonomie hoch priorisieren. Andernfalls droht die Plattform-Wertschöpfung wie schon im B2C-Bereich an die USA und China abzufließen.
B2C-Plattformen greifen nach dem B2B-Segment
B2B-Plattformen lassen sich nicht immer trennscharf von den größeren B2C-Plattformen wie Amazon und Alibaba abgrenzen: Letztere sind ähnlich wie Microsoft und Google ebenso im B2B-Plattform-Segment aktiv.
Auch wenn die Grenzen teils fließend sind, gibt es laut EFI strukturelle Unterschiede zwischen B2B- und B2C-Plattformen:
➤ Der einzelne Nutzer ist im B2B-Bereich für den Umsatz und den Gewinn der Plattform deutlich wichtiger als auf einer B2C-Plattform. Daher entwickeln B2B-Plattformen für ihre Nutzer oft individualisierte Angebote und Verträge.
➤ Da B2B-Plattformen sensible, wettbewerbsrelevante Unternehmensdaten austauschen, sind Datensicherheit und Vertrauen auf B2B-Plattformen noch wichtiger als auf B2C-Plattformen.
Arten von B2B-Plattformen
Die EFI unterscheidet:
1. Transaktions-Plattformen: Sie sind digitale Marktplätze, auf denen Güter und Dienstleistungen gehandelt werden. Käufer können auf Transaktions-Plattformen ihre Einkaufsprozesse vereinfachen und standardisieren, um Transaktions-Kosten zu senken. Verkäufer erschließen neue Kundengruppen. Plattform-Beispiele: Mercateo, Amazon Business, Bosch CyberCompare.
2. Datenbasierte Plattformen: Bei ihnen handelt es sich um Cloud-Dienste, Daten-Marktplätze sowie Internet-of-Things-Plattformen (IoT). Plattform-Beispiel: Telekom Data Intelligence Hub.
3. Innovations-Plattformen: Auf ihnen entwickeln Unternehmen gemeinsam innovative Ansätze. Plattform-Beispiele: CrowdWorx, GitHub.
Plattform-Ökonomie: Risiken aus Sicht der Unternehmen
Eine für die Expertenkommission durchgeführte repräsentativen Umfrage nennt folgende Zahlen:
➤ Risiken für Datenschutz & IT-Sicherheit sehen 67 % der Unternehmen in der Informationswirtschaft und 61 % der Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe.
➤ Den Abfluss von innovations- und wettbewerbsrelevantem Wissen befürchten 42 % der Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe und 31 % Prozent der Unternehmen in der Informationswirtschaft.
➤ Ein Abhängigkeitsrisiko von der jeweiligen Plattform sehen jeweils 42 % der Unternehmen in der Informationswirtschaft und im verarbeitenden Gewerbe.
Hinzu kommt: Kleinen und mittelständischen Unternehmen fehlen häufig die finanziellen Ressourcen und die (IT-)Fachkräfte, um digitale Plattformen nutzen oder aufbauen zu können.
B2B-Plattform-Ökonomie: Das empfiehlt die Expertenkommission
➤ Europa braucht eine wettbewerbsfähige und vertrauenswürdige Daten-Infrastruktur, um eine erfolgreiche B2B-Plattform-Ökonomie aufbauen zu können.
➤ Unternehmen sollten gemeinschaftlich B2B-Plattformen gründen.
➤ Kleine und mittelständische Unternehmen sollten leicht auf Informations- und Beratungsangebote zum Thema Plattform-Ökonomie zugreifen können.
➤ Die Bundesregierung und die Europäische Kommission sollen sich für eine EU-weit einheitliche Plattform-Regulierung einsetzen.
➤ Markt-Konzentrationen wie im B2C-Bereich (siehe Amazon, Google, Facebook) sollen verhindert werden.
Plattform-Ökonomie: langjährige Weckrufe
Auch das EFI-Gutachten von 2022 steht in der Tradition jahrelanger Weck- und Warnrufe: Deutschland und Europa werden global-digitalwirtschaftlich nicht mithalten können, wenn sich auch die B2B-Plattform-Machtzentren in den USA und China befinden.
Der teils sehr unterschiedlich strukturierte europäische Markt, ein äußerst strenger europäischer Datenschutz sowie ein schwach ausgeprägter europäischer Gründergeist erschweren diese Aufholjagd immens.
Bildhaft gesprochen: Während die USA und China längst auf der Rennstrecke sind und massiv beschleunigen, hockt Europa noch in der Boxengasse und diskutiert ausgiebig die bürokratischen Rahmenbedingungen.
Kann so nichts werden, Herrschaften.
Quelle und Link-Tipps:
- e-fi.de: Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2022
- Digitalökonomie: Ist die EU gegen die USA und China chancenlos? (Teil 1)
- Plattformökonomie: B2B-Marktplätze als Deutschlands Chance?
- Plattform-Ökonomie: Wertschöpfung im digitalen Zeitalter
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