Mit Werbe-Bannern zugepflasterte Seiten, nervige Pop-ups, auf drölfzig Unterseiten verteilte Artikel bestehend aus erschlagenden Textblöcken und ein penetranter Abo-Zwang: Der Journalismus hat das Online-Zeitalter auch im Jahr 2021 immer noch nicht verstanden. Wollt ihr nicht oder könnt ihr nicht?
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(Mauer / Pixabay-Lizenz) |
Vor knapp 20 Jahren, im Jahr 2002, absolvierte euer Blogger ein mehrwöchiges Redaktions-Praktikum bei Spiegel Online in Hamburg. Tolle Leute, tolle Stadt, toller Job: Noch heute findet ihr meine Beiträge zur Cheops-Pyramide und zu Ortungssystemen für Menschen.
Damals, zu Beginn des neuen Jahrtausends, war das Angebot von Online-News komplett kostenlos. Tatsächlich gab es 2002 nicht wenige Stimmen, die unkten, dass „dieses Internet“ ja auch ganz schnell wieder weg sein könnte…
Bis heute leidet der Online-Journalismus darunter, zu spät sein Angebot
monetarisiert zu haben. Biete ich Menschen jahrelang etwas kostenlos, gewöhnen sie sich daran – und bleiben zahlungsunwillig. Lächerliche Panik-Vorstöße der Sorte „Google soll uns bezahlen!“ zeugen davon, wie wenig die Verlage das Online-Zeitalter verstanden haben. Oder würdet ihr euren besten Kunden-Vermittler beschimpfen und verklagen?
Paywall: Auf dass möglichst viele Leser frustriert dagegen rennen
Wikipedia, übernehmen Sie: „Als Paywall […] – aus dem Englischen lehnübersetzt Bezahlmauer, im Deutschen auch Bezahlschranke – wird ein Mechanismus bezeichnet, mit dem bestimmte Inhalte einer Website nur nach dem Bezahlen einer Gebühr oder dem Abschluss eines Abonnements sichtbar sind (Paid Content). […]. Als Grund für die Einführung solcher Bezahlschranken wird von den Verlagshäusern die Kompensation von fehlenden Anzeigenerlösen im World Wide Web genannt.“
Euer Blogger ist ein News-Junkie, der mindestens ein Dutzend Mal am Tag seine favorisierten News-Seiten öffnet:
- spiegel.de
- sueddeutsche.de
- faz.net
- zeit.de
Mehrmals wöchentlich schaue ich auch bei den folgenden Fachportalen rein:
- handelsblatt.com
- wiwo.de (Wirtschaftswoche)
Immer öfter kommen mir dabei Bezahlschranken entgegengeflogen. Wobei ich den Begriff „Schranke“ als äußerst beschönigend empfinde, das englische Original („Mauer“) trifft es deutlich besser.
Warum? Schauen wir uns die Paywall-Umsetzung der Portale an:
Paywall auf spiegel.de ↓
Paywall auf sueddeutsche.de ↓
Paywall auf faz.net ↓
Paywall auf zeit.de ↓
Paywall auf handelsblatt.com ↓
Paywall auf wiwo.de ↓
Liebe Verlage, meine 2 Paywall-Fragen an euch
1. Warum, um Himmels willen, bietet ihr nicht die Möglichkeit, Artikel einzeln zu kaufen?
2. Wieso nötigt ihr eure Leser auch bei einzelnen Bezahlschranken-Artikeln permanent in ein komplettes Abonnement?
Ich weiß nicht, welche „Experten“ euch beim Thema „Paid Content“ beraten, aber ich wage zu behaupten, dass ihr über Einzelverkäufe von Artikeln (mit maximal drei Klicks) mehr Einnahmen hättet als über euer userfeindliches Fußfessel-Knebel-Abo-Konstrukt. Zumindest ich würde regelmäßig die virtuelle Geldbörse zücken, wenn
ich unverbindlich (!) einzelne (!) Artikel kaufen könnte.
So aber bleibt mir nur ein weiteres Mal Kopfschütteln angesichts eurer Beharrlichkeit in Sachen leserfeindliche Eskapaden. Ganz alleine scheine ich damit nicht zu sein, ein bekanntes Online-Satire-Portal pflichtet mir bei:
Und auch die Stimme des deutschen Online-Volkes erschallt einhellig, denn wirklich Bock auf Paywalls in ihrer jetzigen Form haben hierzulande die wenigsten:
Liebe Verlage und Redaktionen, euer Anti-User-Experience-Kurs nervt. Stampft endlich eure anachronistische Print-Mentalität ein, umarmt das Online-Zeitalter und denkt benutzerfreundlich.
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