Es ist Juli 2025 und gefühlt wöchentlich übertrumpfen sich die Tech-Riesen mit neuen KI-Ankündigungen. Ich rede hier nicht vom gängigen Wir-jetzt-auch-KI-Phrasengedresche der Feld-Wald-und-Wiesen-Softwareanbieter. Sondern von dem, was im Big Picture passiert. Wir erleben die Morgendämmerung des Zeitalters vollumfänglicher KI-Assistenz – in allen Lebensbereichen.

Google bringt seinen AI Mode in Position, OpenAI reagiert umgehend mit der Ankündigung des neuen ChatGPT Agent: Bevor wir uns die jüngsten Entwicklungen im Kampf um die Generative-KI-Vorherrschaft angucken, will ich den strategischen Hintergrund dieses Wettkampfes beleuchten.
Google vs. OpenAI: Warum man immer Microsoft mitdenken muss
Wichtigster Geldgeber und größter Einzelaktionär des ChatGPT-Anbieters OpenAI ist Microsoft. Für das 1975 von Bill Gates gegründete Unternehmen ist es die Chance, im Segment der Online-Suche Google endlich etwas entgegensetzen zu können: Microsofts Suchmaschine Bing blieb in Sachen Marktanteile stets zweitklassig.
Google (bzw. dessen Mutterkonzern Alphabet) und Microsoft batteln sich gleich in mehreren hochprofitablen Segmenten:
- Online-Suche (inklusive dem angedockten Milliarden-Werbegeschäft)
- Cloud-Computing (Microsoft Azure vs. Google Cloud Platform)
- Produktivitäts-Software (Microsoft Office vs. Google Workspace)
- Betriebssysteme (Microsoft Windows vs. Google ChromeOS)
Es ist ein Kampf der Tech-Supermächte: Googles Mutterkonzern Alphabet kam 2024 auf einen Jahresumsatz von 350 Milliarden US-Dollar (Quelle: Wikipedia). Microsoft erwirtschaftete im selben Zeitraum 245 Milliarden US-Dollar (Quelle: ebd.).
Es geht beim aktuellen KI-Wettbewerb nicht um ein paar nette Features – sondern (Vorsicht, ironisch zugespitzt) um Machtkämpfe im zukunftsträchtigsten Wirtschaftssegment der Milchstraße (eurem Blogger fehlen leider Informationen, ob auf den restlichen sieben Planeten unseres Sonnensystems aktuell noch krassere ökonomische Sachen ablaufen – vermutlich eher nicht).
Bleiben wir terrestrisch und gucken auf die jüngsten Entwicklungen in Sachen generative KI.
Google vs. OpenAI (Microsoft): Die KI-Entwicklungen der Tech-Player im Zeitraffer
Ende 2022 hatte OpenAI mit seinem KI-Bot ChatGPT den Durchbruch. Bereits im Januar 2023 war ChatGPT die am schnellsten wachsende Endverbraucher-Software in der Geschichte – mit mehr als 100 Millionen User*innen in zwei Monaten (Quelle: Wikipedia).
Google erkannte die Gefahr, mittel- bis langfristig Marktanteile (und damit Werbeumsätze) zu verlieren und präsentierte im Mai 2023 die „Search Generative Experience“ (SGE). Im Mai 2024 folgte die Umbenennung in AI Overviews. Der globale Rollout erfolgt zeitversetzt, in der deutschen Google-Suche sind diese „Übersichten mit KI“ seit März 2025 verfügbar.
Und Google tritt weiter aufs Gaspedal: Während AI Overviews (Übersichten mit KI) nur eine KI-generierte Zusammenfassung von Google-Suchergebnissen sind, geht der AI Mode deutlich weiter. Dieser vollumfängliche, dialogbasierte KI-Bot ist direkt in die Google-Suche integriert. Das Ziel ist klar: Niemand soll mehr einen Grund haben, außerhalb von Google (sprich: mit ChatGPT) fragen und suchen zu müssen.
Währenddessen werkelte OpenAI im Verborgenen aber bereits am nächsten Schachzug. Statt in limitierten Kategorien von KI-Antworten und KI-Einzeltools zu denken, peilt das ChatGPT-Unternehmen das an, was in wenigen Jahren Alltagsrealität sein wird: ein vollumfängliches KI-Assistenzsystem. Im Juli 2025 kündigte OpenAI den ChatGPT Agent an.
Was ist der ChatGPT Agent?
Der neue ChatGPT Agent ermöglicht es, komplexe Aufgaben zu erledigen. Beispielhafte Anwendungen:
- Wettbewerber analysieren
- Finanzdaten prüfen
- Expert*innen finden
- Formulare ausfüllen
- Anmeldungen vorbereiten
- Seiten durchklicken
- Excel-Dateien bearbeiten
- Reports erstellen
- Inhalte sammeln, Folien strukturieren, Präsentationen bauen
- Termine planen
- Reiserouten erstellen
Die Marschroute ist klar: OpenAI läutet mit dem ChatGPT Agent ein Zeitalter ein, in dem aus simplen KI-Bots echte virtuelle Assistenten werden.
Generative KI & virtuelle Assistenz: Warum es jetzt Schlag auf Schlag geht
Auch OpenAIs Ankündigung des ChatGPT Agent ist nur ein kurzer Zwischenstopp auf einem Kontinuum massiv beschleunigter Innovation: Was wir erleben, ist Fortschritt durch gesunden Wettbewerb – gleichwohl beschränkt auf die, welche eh bereits Platzhirsche im Tech-Universum sind.
Bei jedem Schritt Googles wird OpenAI (also Microsoft) nachziehen und umgekehrt. Denn jetzt (Mitte 2025) werden die Weichen dafür gestellt, welche KI-Tools der Goldstandard für uns User*innen sein werden.
Parallele zur alten Welt: Es gibt dutzende Suchmaschinen. Faktisch nutzt die Online-Menschheit vorrangig aber nur eine (Google). Ähnliches wird für das Generative-KI-Universum zu erwarten sein: Wem es als Anbieter gelingt, ein benutzerfreundliches Komplett-KI-Assistenzsystem zu etablieren, wird sich eine Spitzenposition sichern. Und es geht um einen Milliarden-Markt.
Wir werden innerhalb kurzer Zeit in den Genuss immer besserer und beeindruckenderer KI-Komplettlösungen kommen. Weil äußerst mächtige Tech-Player aktuell alles daran setzen, die Nr. 1 im Segment der generativen KI zu werden.
KI-Optimismus: Ist das alles zu blauäugig?
Diese Entwicklung kann bereits bestehende oligopolartige Strukturen weiter verschärfen. Und ja, ich schreibe diesen Beitrag auch im vollen Bewusstsein, dass jede dieser Entwicklungen massive ethische, gesellschaftliche und juristische Fragen und Risiken mit sich bringt. Diese Ambivalenz wohnt aber allem im Leben inne: Technologien sind per se wertneutral. Eine Wertigkeit ergibt sich erst durch ihre Nutzung.
Deshalb bei allem die bürokratische Bremse reinzuhauen, kann nicht die Antwort sein. Das hat dem Wirtschaftsstandort Europa bereits extrem viel Potenzial gekostet (was ein Thema für einen separaten Blogbeitrag wäre, ich nehme es mal mit).
Richtig gedacht, entwickelt und umgesetzt, ist generative KI in meinen Augen ein Geschenk des Himmels. Uns dem ängstlich zu verschließen, wäre gleichbedeutend mit einer Rückkehr in Höhlen, um mit Fell bekleidet blöde ins Feuer zu glotzen. Würdet ihr das wollen? Ich jedenfalls nicht. Ich mag Fortschritt. Also: Let’s go!
Quelle:
openai.com: Der ChatGPT-Agent: eine Brücke zwischen Forschung und Aktion
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