„E-Commerce-Trends – zukunftsweisende Wachstumsstrategien für den digitalen Handel“: So lautet eine aktuelle Studie des deutschen Shopsystem-Anbieters Shopware. Ich habe interessiert, aber kritisch hineingeschaut.
Wer steht hinter der E-Commerce-Studie?
Shopware ist eine im Jahr 2000 in Deutschland ins Leben gerufene E-Commerce-Software. Laut dem Forschungsinstitut EHI rangiert Shopware in Deutschland auf Platz 1 der meistgenutzten Online-Shopsysteme.
Blicken wir auf die laut Shopware-Studie wichtigsten E-Commerce-Trends:
E-Commerce-Trend #1: Künstliche Intelligenz (KI)
Das ChatGPT-Zeitalter prägt auch den Online-Handel. KI wird Online-Shop-Betreiber*innen in folgenden Bereichen unterstützen:
- Inhalte (Texte, Bilder, Videos) schneller erstellen
- Shop-Produkte effizienter verwalten
- Marketing-Maßnahmen personalisieren
Bestehende Texte lassen sich mithilfe von KI besser und zielgruppengerechter formulieren und Produkte vor ansprechenden Hintergründen platzieren.
E-Commerce-Trend #2: Spatial Commerce
Spatial Commerce (wörtlich „räumlicher Handel“) bedeutet, Produkte in Online-Shops dank 3D-Präsentationen und virtueller Realität (VR) erlebbarer zu machen.
E-Commerce-Trend #3: Produkt-Abonnements
Produkt-Abos als zusätzliche Bestelloption sollen den Customer Lifetime Value erhöhen. Customer Lifetime Value (CLV) bedeutet „Kundenwert über die Lebenszeit“. Dieser Kennzahl bezeichnet den Gesamtumsatz, den ein Kunde einem Unternehmen über die gesamte Dauer der Geschäftsbeziehung bringt.
Produkt-Abos sind nichts Neues, Shops wie Amazon bieten sie schon lange an. Ein Beispiel:
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Beispiel für ein Produkt-Abonnement auf amazon.de |
E-Commerce-Trend #4: Digital Sales Rooms
Gemeint sind digitale Verkaufsräume, verwirklicht durch interaktive Produktdemos.
Auch das Konzept Digital Sales Room hat das Ziel, den „virtuellen Graben“ zwischen Kund*in und Produkt beim Online-Shopping zu überbrücken. Bei vielen Produkten schrecken Interessenten davor zurück, sie online zu bestellen, weil sie diese vorab nicht „in echt“ erleben konnten. Digital Sales Rooms wollen diese Hemmungen abbauen.
E-Commerce-Trend #5: Social Commerce
Social Commerce verschmilzt Social Media und E-Commerce. Einige Social-Commerce-Erscheinungsformen auf einen Blick:
- Verkäufe zwischen Privatpersonen (Peer-to-Peer) auf Online-Marktplätzen (z. B. auf Etsy)
- Shopping-Lösungen auf Social Media (z. B. Instagram-Shops)
- Einkaufslisten (z. B. auf Pinterest)
- Live-Shopping-Events (z. B. über Facebook Live)
Social Commerce wird seit Jahren als „das nächste große E-Commerce-Ding“ angepriesen, ging in Europa bislang aber nicht durch die Decke. Anders im ostasiatischen Raum: Vor allem in China boomt Social Commerce.
Prof. Dr. Christoph Tripp von der Technischen Hochschule Nürnberg sagte dazu im Interview mit Handelsblatt Live (Dezember 2024):
„Einige Elemente aus dem Social Commerce funktionieren in Deutschland bereits sehr gut, wie die Beispiele der preisaggressiven asiatischen Plattformen, z.B. Temu oder Shein, es zeigen.“
„Andere Konzepte, wie z. B. Live Shopping über TikTok, sind in Deutschland und in großen Teilen Europas noch eher unterentwickelt. Vorreiter in Sachen Live Shopping ist eindeutig China.“
„Zudem darf man davon ausgehen, dass TikTok Shopping im Jahr 2025 auch in Deutschland startet. TikTok hat in Deutschland ca. 20 Millionen regelmäßige Nutzer, die eine verlockende Ausgangsbasis für E-Commerce Geschäfte sind.“
Wie Onlinehändler News berichtet, startet TikTok Shop Anfang 2025 in Deutschland.
E-Commerce-Trends 2025: Was bleibt ohne Buzzwords?
Erlaubt mir einen kritischen Blick auf Studien wie die vorliegende von Shopware: Ja, Dinge wie KI, digitale Erlebbarkeit von Produkten und Social Commerce sind durchaus spannend (wenn auch als Idee in zwei von drei Fällen nicht wirklich neu).
Das ändert aber nichts daran, dass viele kleine und mittelgroße Online-Händler*innen auch 2025 ihre Grundschul-Hausaufgaben nicht gemacht haben:
1. Veraltete Shop-Systeme, mangelnde Sichtbarkeit und SEO-Schwächen:
Fehlende oder schlechte Produktbeschreibungen sowie fehlende oder suboptimal verfasste Title Tags und Meta Descriptions gesellen sich bei vielen Online-Shops zu langsamen Ladezeiten.
2. Usability- und UX-Probleme:
Unübersichtliche Navigation, komplizierte Checkout-Prozesse und schlechte Mobiloptimierung? Ja, in vielen Online-Shops an der Tagesordnung.
3. Fehlende oder schlechte Marktplatz-Strategie:
Zur Veranschaulichung ein kurzer Ausflug in die Börsenwelt: Bei Investitionen in Wertpapiere entsteht ein sogenanntes Klumpenrisiko, wenn man alles auf ein Unternehmen setzt. Schmiert das Unternehmen an der Börse ab, geht es auch für die Wertpapieranlage bergab.
Empfohlene Gegenmaßnahme: Diversifikation, auch Risikostreuung genannt. Statt ausschließlich in die Aktien eines einzelnen Unternehmens zu investieren, verteilt man die Wertpapieranlage über viele Klassen (Unternehmen, Branchen,
Regionen, etc.).
Ein ähnliches Risiko gibt es im E-Commerce: Online-Händler beschweren sich gerne, dass sie von Amazon schlecht behandelt werden, wenn sie ihre Ware über Amazon als Marketplace verkaufen wollen. Klassisches Klumpenrisiko: Wenn ich bei der Marktplatz-Strategie alles auf einen Player (z. B. Amazon) setze und darüber hinaus nicht für eine unabhängige Sichtbarkeit meines Shops sorge, ist Ungemach vorprogrammiert.
E-Commerce-Trends? Zieht erstmal eure Basics glatt
Heißt unterm Strich bezogen auf das Thema „Trends im E-Commerce“: Solange kleine und mittelgroße Online-Shops ihre Schwächen im Grundlagen-E-Commerce nicht ausmerzen, brauchen wir nicht über KI, Spatial Commerce, Digital Sales Rooms oder Social Commerce sprechen.
Eine Formel-1-Karosserie bringt nichts, wenn die Karre nur zwei Räder hat.
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