Web-Controlling misst, wie viele Besucher eine Website hat und was diese dort machen. Immer wieder liest man: Die Zeit, die der User auf der Website verbringt, sei ein besonders wichtiger Messwert. Tatsächlich aber ist diese von Tools angegebene durchschnittliche Verweildauer mit Vorsicht zu genießen.
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(stats von Sean MacEntee unter CC BY 2.0) |
Es klingt einleuchtend: Je länger ein User auf einer Website bleibt, desto besser muss das Online-Angebot sein. Ein Grund, warum Web-Controlling-Tools wie Google Analytics, Piwik & Co. diesen Wert ganz oben in ihren Auswertungen darstellen.
Kollege Felix Meyer fällte dazu im >Seokratie-Blog kürzlich ein vernichtendes Urteil: Die in Web-Controlling-Tools angegebene durchschnittliche Verweildauer sei für niemanden hilfreich. Sie würde sinnlos berechnet und als Durchschnittswert völlig verzerrt.
Muss man die User-Verweildauer als Messwert und Kennzahl wirklich in die Tonne kloppen?
So messen Web-Controlling-Tools die Verweildauer
Um die Time-on-Site eines Users erfassen zu können, braucht es zwei Werte: den Beginn des Besuchs und sein Ende. >Web-Controlling-Tools wie Google Analytics müssen also entscheiden, wann ein Online-Besuch abgeschlossen ist.
➧ Problem Nr. 1: Jedes Web-Controlling-Tool misst die Verweildauer anders. Folge: Wer das Tool wechselt, kann die Verweildauerwerte historisch nicht mehr unverzerrt betrachten.
➧ Problem Nr. 2: Technisch kann der Server zwar erkennen, wann eine Website-Nutzung beginnt. Er kann aber nicht eindeutig erfassen, wann der Besuch endete.
Web-Controlling-Tools versuchen auf zwei Wegen, dennoch einen brauchbaren Wert zu ermitteln:
Variante 1:
➧ Das Tool versucht festzustellen, wann der User eine neue Seite aufruft, und berechnet aus Besuchsbeginn und neuem Aufruf die Verweildauer.
➧ Problem: Niemand weiß, ob der User die Seite tatsächlich genutzt oder betrachtet hat. Bekannt ist nur, dass er die Seite offen hatte.
➧ Diese Variante versagt vollends, wenn der User die Website schließt: Kein neuer Seitenaufruf, kein geschätzter Endpunkt. Passiert dies, geben Web-Controlling-Tools Verweildauerwerte von 0 Sekunden an.
Variante 2:
➧ Manche Tools versuchen via >JavaScript die Verweildauer des Users direkt auf der Seite zu messen.
➧ Problem: JavaScript kann im Browser des Users deaktiviert sein oder nicht laufen.
➧ Folge: Verzerrte Werte.
Taugt die Verweildauer als Leistungskennzahl (KPI)?
Eine Leistungskennzahl (Key Performance Indicator, KPI) verknüpft inner- und zwischenbetrieblich vergleichbare Messwerte (Kennzahlen) mit einem Unternehmensziel.
In unserem Beispiel wäre eine KPI, die Werbe-Einnahmen einer Website zu erhöhen, indem die durchschnittliche User-Verweildauer innerhalb von sechs Monaten um 30 Sekunden erhöht wird. So könnte man anschließend den CPI-Wert (Cost-per-Impressions) pro eingeblendetem Werbe-Banner anheben.
Da jedoch die durchschnittliche Verweildauer bereits als Messwert versagt (siehe oben), taugt sie auch nicht als Kennzahl – und somit auch nicht als Leistungskennzahl (KPI).
Könnte die User-Verweildauer eine brauchbare Leistungskennzahl werden?
Selbst wenn es eines Tages möglich sein sollte, die Verweildauer eines Website-Besuchers eindeutig zu erfassen, bleibt folgendes Problem bestehen:
Niemand kann eindeutig beantworten, ob ein User mit einer Verweildauer von drei Minuten die Website tatsächlich 180 Sekunden betrachtete/nutzte – oder nur passiv (unbeachtet/ungenutzt) offen hatte.
Web-Controlling: die wirklich brauchbaren Messwerte
Meine Empfehlung: Konzentriert euch beim Web-Controlling auf die Messwerte, welche valide, aussagekräftig und KPI-tauglich sind. Zum Beispiel:
- Anzahl der Besuche
- Anteil neue/wiederkehrende Besucher
- Absprungrate
- Besucherherkunft
- Conversion Rate
- Klickpfade
- …
Zum Schluss möchte ich auf den ungebrochenen Warheitsgehalt einer alten Weisheit hinweisen, die auch auf das Web-Controlling zutrifft:
„Statistiken sind Erhebungen, die der Vertiefung bedürfen.“
In diesem Sinne: Frohes Messen. 😉
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