Schwächelnde Konjunktur hier, Rezession dort – Good old Germany scheint 2024
wirtschaftlich am Stock zu gehen. Schuld soll unter anderem die sogenannte Deindustrialisierung sein. Was der Begriff bedeutet und warum ich diese Diagnose als zu kurz gedacht erachte, schildere ich euch in diesem Meinungsbeitrag.
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Wirtschaftskrise Deutschland 2024: Deindustrialisierung als Ursache oder als Symptom? |
Wikipedia, übernehmen Sie:
„Deindustrialisierung bezeichnet Prozesse sozialen oder wirtschaftlichen Wandels, die verursacht werden durch eine Schrumpfung der industriellen Sektoren, beispielsweise der Schwer- und verarbeitenden Industrie, in einem Land oder einer Region.“
Der öffentlich-rechtliche Deutschlandfunk ergänzt:
„Mit ‚Deindustrialisierung‘ bezeichnet man […] einen wirtschaftlichen Strukturwandel. […] ‚Auf hohem volkswirtschaftlichen Entwicklungsniveau verliert die industrielle Produktion im Vergleich zu den Dienstleistungen relativ an Bedeutung.‘ […]“.
tagesschau.de schreibt:
„[… ] werden Jobs in den Bereichen Metall-, Elektro-, Stahl- oder Bauindustrie abgebaut. ‚Die Wertschöpfung ist insgesamt noch stabil, aber bei der Beschäftigung sehen wir bereits die Deindustrialisierung. […].“
Befragt man die KI (ChatGPT und Google Gemini), durch was Deutschlands
Deindustrialisierung ausgelöst wird, bekommt man unter anderem folgende Stichworte
genannt:
- Hohe Energiekosten (ChatGPT)
- Überregulierung und Bürokratie (ChatGPT)
- Hohe Lohnkosten (ChatGPT)
- Höhere Produktionskosten (Google Gemini)
- Währungsschwankungen (Google Gemini)
- Subventionen in anderen Ländern (Google Gemini)
So schlüssig und kausal das auch alles sein mag – ich werde einfach das Gefühl nicht los, dass es sich bei der Deindustrialisierung nur um ein Symptom handelt. Die Ursache unserer Wirtschaftskrise liegt tiefer – und sie ist eng verknüpft mit dem Thema „Wertschöpfungswandel“.
Was bedeutet Wertschöpfung?
Zu dieser Frage gibt es sehr viele und sehr schwer verdauliche Antworten. Deshalb an dieser Stelle meine bewusst vereinfachte Definition von Wertschöpfung:
➤ Wertschöpfung entsteht durch Produkte oder Dienstleistungen, die eine Zielgruppe als so begehrenswert empfindet, dass sie bereit ist, dafür Geld zu zahlen oder Daten preiszugeben.
Letzteres (Daten preisgeben) will ich am Beispiel der Unternehmen Facebook (bzw. Mutterkonzern Meta) und Google (bzw. Mutterkonzern Alphabet) veranschaulichen:
Beide Unternehmen bieten Services an, die (größtenteils) nichts kosten. Niemand von uns muss Geld dafür zahlen, um Facebook oder Google nutzen zu können. Was wir aber „überweisen“, sind unsere Daten – mit denen beide Unternehmen wiederum 80-90 Prozent ihres Milliarden-Gesamtumsatzes machen (indem sie als Werbeträger es anderen Unternehmen ermöglichen, zielgruppengenau auf ihren Plattformen zu werben).
Soweit der Begriff der Wertschöpfung. Als zweiten Bestandteil meiner Argumentation will ich den Begriff der Marktkapitalisierung nutzen:
Wirtschaftskrise 2024: Der Blick auf die Marktkapitalisierung
Ich will folgend den Indikator Marktkapitalisierung (auch Börsenwert genannt) als Erklärung heranziehen, warum ich in der Deindustrialisierung nicht die Ursache für Deutschlands Wirtschaftskrise 2024 sehe, sondern ein Symptom.
Die Marktkapitalisierung (bzw. der Börsenwert) berechnet, wie wertvoll ein börsennotiertes Unternehmen ist. Die Formel lautet:
➤ Anzahl der ausgegebenen Aktien multipliziert mit dem aktuellen Aktienkurs
Anders ausgedrückt: Es ist die Summe, die ihr zahlen müsstet, um das jeweilige
börsennotierte Unternehmen kaufen zu können. Für Apple müsstet ihr aktuell (Anfang November 2024) schlappe 3,4 Billionen US-Dollar hinblättern (bitte in kleinen Scheinen).
Mir ist bewusst, dass die Marktkapitalisierung als Indikator alleine nicht das ganze Bild zeichnen kann – sie bringt aber sehr gut auf den Punkt, dass Deutschlands (und Europas) Wertschöpfung global betrachtet fundamental lahmt.
Blicken wir auf die nach Marktkapitalisierung wertvollsten Unternehmen der Welt Anfang November 2024 an. Zwei Quellen habe ich zurate gezogen:
companiesmarketcap.com
sowie
financecharts.com.
- Platz 1: Apple (Land: USA, Branche: Tech)
- Platz 2: Nvidia (USA, Tech)
- Platz 3: Microsoft (USA, Tech)
- Platz 4: Alphabet [Google] (USA, Tech)
- Platz 5: Amazon (USA, Tech)
- Platz 6: Saudi Aramco (Saudi-Arabien, Öl)
- Platz 7: Meta [Facebook] (USA, Tech)
- Platz 8: TSMC (Taiwan, Tech)
- Platz 9: Berkshire Hathaway (USA, Finance / Logistik / Energie / Produktion
/ Handel) - Platz 10: Tesla (USA, Automobil / Tech)
Welche deutschen Unternehmen gibt es unter den Top 100 nach Marktkapitalisierung?
Anfang November 2024 waren das gerade mal zwei:
- Platz 34: SAP (Tech)
- Platz 99: Siemens (Industrie / Energie / Logistik / Medizin)
Heißt plakativ übersetzt: Wir leben in einer Welt der Tech-Wertschöpfung – und Deutschland spielt keine Rolle in der Top-Liga.
Kommen wir zurück zu der Frage, was das über das Thema „Deindustrialisierung
in Deutschland“ aussagen könnte …
Wirtschaftskrise 2024: Es sind nicht die Rahmenbedingungen, die unsere Wertschöpfung erlahmen lassen …
… sondern es ist das Wesen unserer Wertschöpfung an sich. Provokant ausgedrückt: Die Welt will in absehbarer Zukunft keine Verbrennermotoren mehr haben. Stattdessen aber datenbasierte Dienstleistungen. Und da haben wir was zu bieten, das global wettbewerbsfähig ist? Richtig: wenig bis nichts.
Euer Blogger ist kein Pessimist. Aber Realist. Diese Suppe haben wir uns über Jahrzehnte erfolgreich selbst eingebrockt:
Wer digitale Geschäftsmodelle in einem Korsett aus übertriebenen Datenschutzregularien, muffiger Bürokratie und lähmender Das-haben-wir-schon-immer-so-gemacht-Mentalität regelrecht zu Tode quetscht, darf sich nicht wundern, wenn’s volkswirtschaftlich irgendwann scheppert.
Was bleibt, ist die Hoffnung auf Europa: Nur gemeinsam kann der europäische Wirtschaftsstandort global zu den USA und China aufschließen. Ein gemeinschaftliches Europa muss das erklärte Ziel bleiben. Ob wir die dafür nötigen Energien und den Willen haben? Lasst es mich gerne in den Kommentaren wissen.
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